In diesem Beitrag möchten wir unseren Studierenden detaillierte Informationen zur HFP P1 Fallstudie zur Verfügung stellen.
Allgemein
Es ist wichtig zu verstehen, dass die HFP keine reine TEN-Fachprüfung ist. Es werden umfassende Kompetenzen des neuen Berufsbildes geprüft. D. h. zusätzlich zu Fachrichtungskompetenzen auch: Medizinischdiagnostische bzw. therapeutische Kompetenzen + Ressourcenstärkung und Verbesserung der Lebensführung + (selbstkritische) Reflexionsfähigkeit.
P1 (= Fallstudie)
Fallauswahl: Manchmal sind die gewählten Themen bzw. Pathologien der Fallstudie zu komplex, sodass man sich bei nur 50 Seiten Platz „verhebt“. Häufiger in letzter Zeit aber werden allzu leichte Patientenfälle gewählt - ohne jegliche Schwierigkeiten, Komplikationen oder Herausforderungen. Fast unrealistisch glatt, mit minimalster Therapie, sodass hiermit gar nicht alle geforderten Kompetenzen gezeigt werden können und dadurch dann entsprechend ev. eine C-Bewertung gegeben werden wird. Das Ideal liegt also zwischen den beiden Extremen.
Zusammenfassungen: Darf ich/ soll ich Folgekonsultationen gruppieren und zusammenfassen? Wir raten ausdrücklich davon ab! Die Experten/innen können damit nämlich die Kompetenzen (was wurde gemacht, analysiert, geplant) schwerer beurteilen und man riskiert so unnötigerweise Punktabzüge. In den ersten 6 Monaten der Fallstudie, daher jeden Patientenkontakt (ob in der Praxis oder per Mail, Telefon, Zoom etc.) darstellen; nach dieser Zeit kann dann der weitere Verlauf tatsächlich kurz zusammengefasst werden. Zudem müssen alle Daten der Konsultationen exakt genannt werden. Es reicht also nicht aus, zu schreiben „ca. 4 Wochen später“.
Breite und Tiefe der Anamnese: Die Darstellung der Anamnese wird einerseits quantitativ bewertet. Dabei sind folgende Fragen zu stellen.
- Ist die Anamnese umfassend dargestellt bzw ganzheitlich (d.h. sowohl Geist/Gemüt, als auch Körper)?
- Ist die Krankheitsbiografie erfasst (d.h. inklusive Zeiten des erstmaligen Auftretens von Symptomen)?
- Sind bisherige/momentane Behandlungen dokumentiert?
Die qualitative Bewertung umfasst vollständige und genaue Erfassung der Beschwerden (mit Modalitäten, Empfindung, Lokalisation, Begleitsymptomen) und der Chronologie (ev. inklusive Symptomen aus der Vorgeschichte). Die Experten möchten auch - aus Platzgründen mindestens teilweise, z.B. beim Spontanbericht - die Gesprächsqualität der Anamnese beurteilen, also wie waren die Fragen und Antworten.
Medizinische Diagnostik: Auch wenn bereits Arztberichte oder Krankenhausbefunde vorliegen (deren Resultate in wenigen Sätzen zusammengefasst werden können), erwarten die Experten v.a. eine eigene Diskussion der medizinischen Diagnosen. Es wird eine eigene sinnvolle Differenzialdiagnose (Kopien von Internetseiten sind unzulässig) erwartet. Die mögliche Rolle als Erstanlaufstelle, bedeutet, dass man in allen 3 Prüfungsteilen medizinisch diagnostische Kompetenzen zeigen muss.
Ressourcen: Häufig werden die eigenen Therapiemassnahmen mit den Patientenressourcen verwechselt bzw. es wird in der Argumentation nicht klar zwischen beiden unterschieden. Massnahmen sind Dinge, die ein Therapeut als sinnvoll erachtet (z. B. mehr Bewegung, bessere Ernährung). Ressourcen sind beim Patienten bereits vorhandene Stärken und Fähigkeiten, welche ihm als Potenzial zur Verfügung stehen.
Konsistenz und Konstanz in der Realisierung der eigenen Therapiemassnahmen: Die eigenen Konzepte, Planungen, Analysen und Symptombeschreibungen werden ab der Anamnese im Verlauf gerne immer wieder «verloren». D. h. man «vergisst» auf dem Weg die Verlaufskontrolle der gestörten Menstruation, der stinkenden Schweisse, des Blutdrucks oder der Laborwerte. Man kontrolliert nicht mehr die Umsetzung der Tipps zur Lebensführung und Ressourcenstärkung. Oder man beschreibt in der Verlaufsdarstellung Informationen, welche (ohne dies zu kommentieren) den Angaben der Anamnese widersprechen.
Therapiemassnahmen: Oft gehen die ursprünglich erarbeiteten Konzepte, Planungen, Analysen und Symptombeschreibungen ab der Anamnese im weiteren Verlauf verloren. Das bedeutet, dass man beispielsweise die Verlaufskontrolle von Menstruationsstörungen, unangenehmen Schweissausbrüchen, Blutdruck oder Laborwerten „vergisst“. Ebenso werden die Umsetzung der Lebensführungstipps und Massnahmen zur Stärkung der Ressourcen nicht mehr überprüft. In der Verlaufskontrolle werden manchmal Informationen angegeben, die ohne Kommentar den ursprünglichen Angaben aus der Anamnese widersprechen.
Reflexion: Am Ende der Fallstudie wird das Ergebnis oft unkritisch hochgelobt, anstatt die Arbeit auch selbstkritisch zu beleuchten. Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet: Wo lagen die eigenen Schwächen (und Stärken)? Was kann in Zukunft verbessert werden? Wo stiessen wir auf therapeutische Grenzen? Welches persönliche Lernwachstum fand statt, und was konnte aus dem Fall gelernt werden? Es wird nicht das Beschönigen belohnt, sondern die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Auch wenn der Fall als „erfolgreich“ gilt, ist es notwendig, mögliche Alternativen zum eigenen Handeln aufzuzeigen und ungelöste Probleme zu formulieren.
Der Einfluss paralleler Therapien (z. B. Coaching, manuelle Therapien, Änderungen am Arbeitsplatz oder in der Partnerschaft, Medikamente etc.) auf das Gesamtergebnis wird oft nicht angemessen reflektiert.
Formales: Obwohl die Punktebewertung der Formalien nicht stark ins Gewicht fällt, ist es dennoch bedauerlich, hier Punkte zu verschenken. Beispielsweise, wenn die Fallstudie voller Tippfehler ist (was durch die Korrekturfunktion in Word leicht vermieden werden könnte) oder wenn Zitate und Fremdaussagen nicht korrekt gekennzeichnet sind.